«Ich bin Tanz»

Ein Gespräch mit der Wiener Tänzerin Eva-Maria Kraft über «Fluid Body», das leichte Glück einer Libelle, die Suche nach Phänomenen und das Finden von spannenden Menschen.

Eva-Maria Kraft ist Tänzerin , Choreografin und Craniosacral-Praktikerin . Normalerweise lebt sie in Wien. Dort tanzt und unterrichtet sie in ihrem eigenen Studio. Jetzt hat sie für knapp vier Wochen ihren Lebensmittelpunkt an das andere Ende von Österreich verlegt. Sie ist derzeit im Rahmen von Changing Spaces, einer Kooperation von im_flieger Wien und netzwerkTanz Vorarlberg in Dornbirn und erarbeitet im tanzRaum eine Performance mit dem Titel «Fluid Body». Am 28. August, um 18.00 Uhr ist sie im Rahmen des Festivals «Einer Libelle leichtes Glück» beim Frauenmuseum in Hittisau zu sehen. Brigitte Herrmann hat mit Eva-Maria Kraft nach den ersten zehn Tagen Residenz ein Interview geführt:

Warum hast du dich für die Residenz beworben?

Weil es sich bei dieser Residenz mit der Einbindung der Ausstellung «geburtskultur» um ein Thema handelt, das bei mir schon ewig gärt. Ich habe die Ausschreibung im newsletter von im_flieger gelesen, und dann hat das bei mir weitergearbeitet. Ich habe dann zufällig noch ein Seminar über Embryologie besucht und gleich nach dem Seminar kam per mail noch einmal eine Erinnerung für die Residenz. Da wusste ich dann: Ah, das gehört zusammen und habe mich beworben, eben, um das endlich umzusetzen.

Was genau ist dein Thema?

Ich komme vom Tanz, und Craniosacrale- Körperarbeit habe ich als zweites Standbein. Da geht es mir nun in diesem Projekt in Verbindung mit Tanz vor allem um die Phänomene und Stimmungen. Also nicht um die konkreten Dinge, um die biologischen Abläufe, sondern um die Stimmung, um die Atmosphäre, die ich aus Cranio-Sitzungen kenne, aus Seminaren. Diese Atmosphäre, die immer dann, wenn es um Embryologie geht, im Raum aufkommt. Es ist so eine spezielle berührende Stimmung, die ich einfangen möchte, die ich gemeinsam mit den Zusehenden erschaffen möchte. Das ist meine Idee hinter dem Stück, das ein sehr atmosphärisches Stück sein wird. Es geht nicht darum Befruchtung, Zellteilungen und so weiter, zu tanzen – obwohl es schön ist, sich wie eine Eizelle zu fühlen (lacht), was ich ja jetzt schon seit einigen Tagen mache.

Das heißt, du versuchst dich in diese Situation im Mutterleib hineinzuversetzen?

Ja, genau, ich versuche mich in Stadien hineinzuversetzen, die wir alle erlebt haben, an die wir uns natürlich nicht erinnern können. Das ist immer mein Zugang beim Choreografieren, wenn es um solche Themen geht, die Zustände so klar zu bekommen, dass ich sie verkörpern kann. Einerseits ist es völlig abstrakt, aber wir haben es ja auch erlebt, es ist in uns. Das mache ich jetzt gerade in der Recherchephase, dass ich immer wieder in diese Zustände hineingehe. Einerseits lese ich wissenschaftliche Literatur zu dem Thema und dann versuche ich mir das so vorzustellen, wie ich glaube, wie das war. In diese Zustände begebe ich mich, improvisiere darüber immer wieder und entwickele dadurch Körperzustände und die wiederhole ich so oft, verdichte sie, bis ich das für eine Aufführung verwenden kann.

Musik spielt bei dir eine große Rolle. Wie läuft deine Arbeit da ab?

Eigentlich ist das ein ähnliches Prinzip. Ich lese ja derzeit sehr viel und schreibe jeden Tag eine Art Tagebuch. Diese Aufzeichnungen schicke ich Rupert Huber, dem Musiker und Komponisten, mit dem ich schon sehr oft zusammengearbeitet habe. Er liest dann meine Ideen und lässt das auf sich wirken und macht dann im Grunde den gleichen Prozess durch und drückt das in seiner Musik aus.

Und dann spielen wir aber live. Es ist kein gesetztes Stück. Es hat diesen Livemoment, den das Thema, wie ich finde, auch sehr verlangt. Das erhält uns die Lebendigkeit.

Du hast in Wien dein eigenes Studio. Inwieweit ist es dennoch wichtig, den Ort zu wechseln, also «Changing Spaces»?

(lacht) Es ist der Grund, warum ich mich nicht oft um Residenzen bewerbe, dass ich denke, ich kann das auch in Wien machen, aber es ist etwas anderes, wegzufahren. Ich habe mich wie abgemeldet. Ich bin einfach nicht da. Es ist ein Arbeiten weg von den eigenen vier Wänden. Ich würde das in Wien nicht machen, ich könnte nicht so konsequent an etwas arbeiten, das ist unmöglich. Oder ich müsste mich sehr, sehr disziplinieren. Ich hatte das im Vorfeld schon vermutet und es bestätigt sich hier seit dem ersten Tag: Es ist etwas ganz anderes.

Also ist es wichtig, solche Residenzen z u haben?

Extrem. Also ich glaube, die Qualität der Kunst liegt in so etwas. Man sieht, ob ein Stück richtig ausgearbeitet ist, diese tiefere Beschäftigung ermöglichen nur solche Prozesse. Und vor allem so lange Residenzen. Ein paar Tage machen für mich keinen Sinn. Aber so lange an einem Stück arbeiten zu können, gibt eine andere Qualität.

Ein bisschen Hintergrund: Woher kommst du? Wo hast du deine Ausbildung gemacht, wichtige Stationen etc.

Geboren bin ich in Salzburg, Salzburg -Land, bin aber ziemlich schnell nach Wien gegangen. Ich habe mit 3 Jahren mit Ballett begonnen, oder eigentlich schon mit 2 ½ Jahren und dann später auch Modern Dance kennengelernt und dann wollte ich Balletttänzerin werden, das hat nicht funktioniert, dann war Musical ein Thema, aber meine Schauspiel- und Gesangsfähigkeiten waren nicht gut genug und dann bin ich an die MUK und habe dort Tanzpädagogik studiert. Ich bin aber direkt aus der Ausbildung ins Engagement bei der company humunculus; zwei Jahre lang, und dann bin ich in die freie Szene und habe aber auch viel unterrichtet und habe seit einigen Jahren meinen Fokus wieder mehr bei der künstlerischen Arbeit.

Meine größten Projekte im Moment ist einmal das Projekt mit den humanoiden Robotern und künstlicher Intelligenz und dann die Echtzeitkompositionen, die ich viel mit Rupert mache, weil das meine Leidenschaft ist; das ist für mich Tanz, meine ganz tiefe Basis:  improvisiert auf der Bühne und im Moment kreieren. Das ist die höchste Kunst für mich, die sich auch nie erschöpft. Das ist so mein Ansatz.

Vor zehn Jahren habe ich eine Cranioausbildung begonnen und bin seit acht Jahren tätig in eigener Praxis.

Was ist unter Cranio zu verstehen?

Cranio ist eigentlich eine Abformung von der Osteopathie und beschäftigt sich mit Strukturen im Körper, hauptsächlich mit dem zentralen Nervensystem aber auch mit den Flüssigkeiten im Körper, wie zum Beispiel die Blutbahnen; es ist eine Körperarbeit.

Bei Wikipedia steht, es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass Cranio hilft. Aber deine Erfahrung ist anders?

Ja, es hilft. In Österreich ist es gar nicht anerkannt, da fällt das in den Bereich Energetik. In Deutschland gibt es das auf Krankenkasse. Schweiz ist auch Krankenkasse, da gibt es Cranio auch in Krankenhäusern. Cranio ist relativ jung noch, also gerade 100 Jahre alt, wo es diese Abspaltung von der Osteopathie gab. Wir manipulieren nicht, anders als Osteopathen, die wirklich in den Körper reingehen und so sieht das nur wie Handauflegen aus. Es ist eine ewige Diskussion. Ich bin selber immer wieder überrascht, was es macht. Und das ist für mich der Zauber dran. Ich weiß, was ich tue. Und es passiert scheinbar nichts, aber die Ergebnisse sind unfassbar. Es ist super, es braucht nicht viel, nur zwei Menschen und es kann etwas besser machen, wenn jemand ein Problem hat.

Wie bist du dazu gekommen?

Ich hatte das als sehr esoterisch abgehakt. Aber dann bin ich zu einer Logopädin gegangen, weil ich mit meiner Stimme Probleme hatte und die war auch Cranio – und die war so normal. (lacht) Sie hat das dann mit mir gemacht und ich habe erlebt an meinem Körper, das das ganz viel bei mir bewegt und ich wusste dann, dass ich da eine Ausbildung machen muss, dass ich wissen möchte, was die da tun und worum es da geht.

Ich sage immer Es ist die die Homöopathie der Bewegung. Es geht in den feinstofflichen Bereich, der mir durch den Tanz so bekannt ist, den ich aber so nie organisieren und formulieren konnte. Und jetzt hat es für mich so eine Klarheit, all diese kleinen Dinge, die da ständig in so feinen Variationen ablaufen in meinem Körper. Jetzt hat das endlich einen Namen. Es ist wie ein System, das ich gefunden habe, das zu meinem Körper passt.

Wer ist Eva-Maria Kraft? Persönlichkeit, Stärken, Schwächen

Ich bin Tanz. Ich kenn mein Leben nicht anders. Niemand weiß, warum ich meine Eltern so lange traktiert habe, bis ich anfangen durfte zu tanzen. Es gibt für mich kein Leben, ohne zu tanzen. Es ist für mich ein irrsinnig großer Persönlichkeitsanteil und ein Riesenausdrucksmittel in allen Varianten.

Es hat für mich auch ganz stark den Zugang auf den Menschen gebraucht. Deshalb ist auch das Unterrichten so wichtig für mich. Dass ich mit Menschen in den Austausch gehe und durch das Vermitteln auch lerne; und künstlerisch, dass ich mich mit Tanz ausdrücke. Eine meiner Stärken ist, dass ich eine Künstlerin bin, die organisiert ist. Aber manche finden das auch stressig. Mir war es immer wichtig, dass ich das ganz klar für mich habe, wo ich hinwill, mit wem ich zu tun habe.

Wie geht es mit deinem Stück «Fluid Body» weiter? Jetzt hast du zwei Vorstellungen in Hittisau (am 28. Und am 31. August) und dann noch eine weitere Vorstellung im Oktober in Wien. Soll es sich zu einem abendfüllenden Stück entwickeln oder was schwebt dir da vor?

Anita (gemeint ist Anita Kaya von von im_flieger) hat gesagt, dass es bei dieser Residenz den Produktionsdruck nicht gibt. Das gibt es nicht oft. Und das finde ich sehr gut. Natürlich zeige ich etwas. Aber ich sage mir immer wieder, es ist wie ein Samen, der gesät wird und ich werde sehen, was sich entwickelt. Es ist für mich ein so großes Thema, dass das viele Auswirkungen geben wird, in verschiedenen Bereichen. Ich bleibe offen, wo es hinführt. Klar, das Stück, das ich jetzt zeigen werde, ist ein Produkt, aber es ist nur eine von hoffentlich mehreren Ausformungen dafür. Ich habe immer gespürt, dass das hier ein Nährboden sein kann für etwas Neues. Es ist ein Beginn.

Noch ein Wort zu Vorarlberg:

(Lacht) Überraschend offen und wirklich schön – und gute Luft. Und wirklich spannende Menschen. Ich habe hier schon so viele spannende Menschen kennengelernt in so kurzer Zeit. Ganz ehrlich: Damit hatte ich nicht gerechnet.

Vielen Dank für das Gespräch.

«Fluid Body» ist am Samstag, 28. August um 18.00 Uhr im Rahmen des Festivals «Einer Libelle leichtes Glück» beim Frauenmuseum in Hittisau zu sehen. Am 31. August gibt es während der internationalen Konferenz der Frauenmuseen eine weitere Aufführung in Hittisau. Beide Vorstellungen sind öffentlich. Im Oktober werden Eva-Maria Kraft und Rupert Huber ihre Performance bei im_flieger in Wien zeigen.