Natalie Fend ist dieses Jahr Artist in Residence bei «Changing Spaces», dem Austauschprogramm von im_flieger Wien und netzwerkTanz Vorarlberg. Im Juli 2022 wird sie für vier Wochen nach Wien gehen, dort den Raum von im_flieger nutzen und am Ende bei einem geteilten Abend mit Luigi Guerrieri, der 2019 mit dem gleichen Programm in Vorarlberg war, zeigen, was entstanden ist.
Was das sein wird, ist so offen wie selten an Beginn einer Residency, denn Natalie hat für ihre Zeit in Wien eine Carte Blanche bekommen. Kein Ergebnisdruck, keine Chance sich selbst zu stressen, dafür die Möglichkeit, sich auf einen Prozess einzulassen, zu forschen, was dem Menschen Natalie gerade passiert und was das mit der Tänzerin Natalie macht.
Ganz unvorbereitet fährt sie trotz Carte Blanche nicht. Sie hat eine Idee, aber die möchte sie noch nicht verraten, zumal sie überzeugt davon ist, dass sie in Wien aus dem Moment heraus mit den vorhandenen Gegebenheiten arbeiten wird und weil sie sich auf genau diesen Forschungsprozess vollkommen einlassen möchte, ohne Korsett, ohne Hintergedanken.
Sie sieht das Angebot als ein großes Geschenk, mit dem sie achtsam umgehen möchte. In ihrer Zeit in Wien erwartet sie sich nach Schwangerschaft, Geburt und Babyzeit die Chance sich wieder künstlerisch zu betätigen, sich Raum nehmen zu können für sich selbst. Natürlich wäre theoretisch dieser Raum auch in Vorarlberg da, dafür wäre es nicht nötig, mit Sack und Pack, Kind, Mann und Mama für Wochen nach Wien zu übersiedeln, doch Natalie meint, dass es der Raum allein nicht ist, dass es den Input von außen gebraucht hat, jemand, der an sie glaubt, ein fixes Zeit- und Raum-fenster, in dem sie kreativ werden kann.
Sie kennt Wien gut, hat dort am Konservatorium ihre Ausbildung gemacht, doch jetzt war sie lange nicht da, ist gespannt, wie schnell sie sich wieder einleben wird, und ob sie die Stadt nun anders wahrnimmt als früher; jetzt mit Kind anders unterwegs ist in den alten Straßenbahnen, die den Zustieg mit Kinderwagen erschweren und mit einem neuen Blick auf die Parks, in denen man mit Kind spazieren gehen kann.
Es braucht diese andere Umgebung, um nachzudenken über Zusammenhänge zwischen den Veränderungen des eigenen Körpers und Veränderungen in der Welt. Denn ihr Körper ist schon wieder dabei, sich zu verändern, „es wächst“ wieder etwas in ihr, wie Natalie es nennt und merkt, dass sie schon wieder dabei ist, Energien zu verteilen. Da ist es gut, diese Zeit zu haben, genau zu beobachten, was und wie sich in ihr und außerhalb verändert. Als Mama, so hat sie in den letzten Monaten gemerkt, ist diese Veränderung extrem. Der Blick auf die Welt, auf die Umgebung, auf Menschen, auf die man sich verlassen kann, wurde ein anderer. Und gleichzeitig reifte die Erkenntnis, dass sie den Tanz auch als Mutter nicht aufgeben muss, dass sie ihn sogar braucht, dass die tänzerische Auseinandersetzung ihrer Seele gut tut. Und im besten Fall auch anderen zusehenden Menschen etwas gibt.
Sie ist gespannt auf die Arbeit in Wien und gespannt auf den Herbst in Vorarlberg, wenn sie noch einmal eine Woche im tanzRaum an dem Material arbeitet, das sie in Wien finden wird. Wie ihr dann veränderter Körper reagieren wird. Sie vermutet, dass sie gefundene Bewegungen adaptieren muss, flexibel bleiben muss, so wie die Gesellschaft in dieser Zeit der extremen Veränderungen flexibel reagieren muss.
Beim openSpace am 12. November im TiK in Dornbirn gibt es die Möglichkeit, das Zwischenergebnis ihrer Recherche zu sehen.
Foto: Sarah Mistura